Am 17. März 2015 kraxelt der Schmetterlingsforscher Dr. Robert Trusch mit zwei Kolleginnen und Kollegen in der Grißheimer Rheinaue in ein Kiesloch. Tags zuvor ist ihm diese Stelle aufgefallen. Sein Bauchgefühl sagt ihm, hier könnte die Schmetterlingsart zu finden sein, die er schon seit über zehn Jahren sucht: das Purpurweiden-Jungfernkind (Boudinotiana touranginii).
1870 in Frankreich entdeckt, war der Falter in Vergessenheit geraten – bis man ihn schließlich im Jahr 2000 als eigene Art anerkennt. Von da an interessieren sich auch Schmetterlingsforschende in Deutschland für das Purpurweiden-Jungfernkind. Alte Belege aus dem Elsass lassen vermuten, dass der Falter auch hierzulande vorkommt. Anfangs sucht man ihn auf sonnigen Waldwegen, dort, wo andere Jungfernkinder-Arten auch zu finden sind – allerdings vergeblich.
Auch Robert Trusch hält Ausschau. Er blättert durch französische Fachzeitschriften, in denen das Purpurweiden-Jungfernkind beschrieben ist. Weil der Schmetterlingsforscher kein Französisch spricht, konzentriert er sich auf die Abbildungen, um zu verstehen, wie der Lebensraum des Falters aussieht und wo er zu finden sein könnte. Schließlich ist es dieses Wissen, das ihn an der Kiesloch-Stelle stutzen und wiederkommen lässt. Und tatsächlich: Genau dort geht Trusch und seinen Kolleginnen und Kollegen am 17. März 2015 ein Purpurweiden-Jungfernkind ins Netz. Es ist der erste Nachweis dieser Schmetterlingsart in Deutschland.
Robert Trusch und seine Kolleginnen und Kollegen nehmen an, dass das Purpurweiden-Jungfernkind schon kurz nach der Würm-Eiszeit bei uns eingewandert ist, also schon viele tausend Jahre hier heimisch ist. Wie konnte man den Falter dann so lange übersehen? Nun, das lässt sich damit erklären, dass er relativ verborgen lebt. Zum Beispiel ist seine Lebenszeit als Falter ziemlich übersichtlich: Nur etwa vier Wochen flattert das Purpurweiden-Jungfernkind unter uns und das obendrein zu einer Jahreszeit, die für Schmetterlinge eher ungewöhnlich ist – im Frühjahr.
Aber es ist eben auch wahnsinnig gut getarnt. Wenn das Purpurweiden-Jungfernkind mit seinen Flügeln einen Ast umschlingt, sieht es aus wie ein altes, vertrocknetes Blatt. Es ist für uns kaum mehr auszumachen. Besser stehen die Chancen, das Purpurweiden-Jungfernkind im Flug zu entdecken. Aber aufgepasst: fast nur Männchen heben ab, fliegen dann meist in mindestens vier Metern Höhe und das auch nur bei Sonnenschein und milden Temperaturen.
Herrmann, R., & Trusch, R. (2017). Verbreitung und Lebensweise des Purpurweiden-Jungfernkindes Boudinotiana touranginii (BERCE, 1870) am südlichen Oberrhein und seine Abgrenzung zu B. notha (HÜBNER, 1803) (Lepidoptera, Geometridae). Carolinea, 75, 107-127.
Trusch, R., Asal, J., Falkenberg, M., Leipnitz, M., Reusch, M., Widder, C., & Meineke J.-U. (2016). Entdeckung des Purpurweiden-Jungfernkindes Boudinotiana touranginii (BERCE, 1870) in Deutschland (Lepidoptera: Geometridae, Archiearinae). Entomologische Zeitschrift, 126(2), 67-76.