Es ist aufregend zu sehen, wie aufwendig der Herstellungsprozess ist, wie skulptural es ist und welche bildhauerischen Fähigkeiten nötig sind.
Über die Präparation der Tibet-Antilope
Sie durften aus unseren circa hundert Objekten ein Lieblingsobjekt auswählen – was hat für die Tibet-Antilope gesprochen?
Dr. Petra Lange-Berndt:
Ich finde die Dia-Serie spannend, da die Dermoplastik gar nicht mehr da ist, sondern nur ein Teil des Schädels sowie Archivalien in der Sammlung vorhanden sind. Es ist ein etwas historischeres Objekt und das hat mich interessiert, weil mich die Präparationsgeschichte sehr umtreibt. Es ist aufregend zu sehen, wie aufwendig der Herstellungsprozess ist, wie skulptural es ist und welche bildhauerischen Fähigkeiten nötig sind. Die Handfertigkeit der Leute, die die Präparate herstellen, finde ich faszinierend.
Was fasziniert Sie an diesem Objekt?
Es ist spannend, dass das Tier zum einen ausstirbt und zum anderen gleichzeitig den institutionellen Zwängen entkommt – dadurch, dass die Präparate nie perfekt sind, man also sieht, dass es Artefakte sind und dass die Präparate mit der Zeit auch zerfallen.
Was verbindet Sie mit diesem Objekt?
In meiner Doktorarbeit ging es um Künstler und Künstlerinnen, die selber präparieren und alternative Präparate herstellen, die aber sehr nah an dem dran sind, was auch eine offizielle Institution präsentieren würde. Ein wichtiger Punkt war hierbei, dass es keine perfekte Präparationsmethode gibt: Das Material hat einen Widerstand und zerfällt, Nähte sind sichtbar, die Form bleibt nicht, Insekten kommen und fressen die Haut ab. Man kann das Tier einfach nicht eins zu eins aus der Wildnis in die Institution stellen.
Dieses Objekt passt also hundertprozentig zu meiner Dissertation.
Wenn Sie Ihr Lieblingsobjekt mit nach Hause nehmen dürften, wo und wie würden Sie es aufbewahren beziehungsweise präsentieren?
Ich würde die Glas-Dias als Screensaver für meinen Computer nutzen.
Welche Bedeutung hat das Objekt Ihrer Meinung nach für die Menschheit?
Die Tibetantilope ist ein tolles Objekt, um zu zeigen, dass auch heute noch Tiere (fast) bis zum Aussterben bejagt werden – nur wegen etwas so Banalem wie ihrem Fell, das man auch synthetisch herstellen könnte. Sie zeigt, dass wir uns mehr Gedanken über Artenschutz, Artensterben und ökologische Zusammenhänge machen sollten.
Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Medienkultur in Hamburg und Wien. 2005 Promotion zu Animal Art: Präparierte Tiere in der Kunst, 1850–2000 an der Universität Hamburg (Stipendiatin der Gerda Henkel Stiftung). 2007–2015 Lecturer/Reader am Department of History of Art, University College London. Seit 2015 Professorin für moderne und zeitgenössische Kunst, Kunstgeschichtliches Seminar, Universität Hamburg, sowie Leiterin der Aktiven Archive DDR und Material.
Stand: Mai 2020