Botanik

Über die „Zündkraft“ des Zunder­schwamms

Zitat

Mich faszinieren Baumpilze wie der Zunder­schwamm einfach sehr, weil sie so ganz anders sind als die Pilze, die man aus dem Wald sonst kennt.

Dr. Andre Baumann, Diplom Biologe
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Text

Sie durften aus unseren Objekten ein Lieblingsobjekt auswählen – was hat für den Zunderschwamm gesprochen?

Dr. Andre Baumann:
Die meisten denken, wenn sie an Pilze denken, an essbare Pilze. Mich haben aber schon immer die Baumpilze interessiert, die an den Stämmen von absterbenden Bäumen zu finden sind. Das hat mich dann auch während meines Biologiestudiums so begeistert, dass ich mich im Rahmen des ökologischen Großpraktikums mit Baumpilzen beschäftigt habe – unter anderem auch mit dem Zunderschwamm.

Was fasziniert Sie an diesem Objekt?

Den Zunderschwamm findet man meistens in alten Wäldern. Und da schlägt einem Naturschützer dann das Herz höher. Je älter die Bäume sind und je mehr Totholz vorhanden ist, umso größer ist die Artenvielfalt.

Faszinierend finde ich den Zunderschwamm auch wegen seiner Nutzung: Bis Mitte des 19. Jahrhunderts wurde er genutzt, um Feuer anzufachen – auch Ötzi hatte ihn ja dabei. Man sagt ja auch, das brennt wie Zunder. Früher wurden in armen Gebieten auch in Baden-Württemberg die Kinder losgeschickt, um Zunderschwämme zu sammeln. Die wurden dann in der Stadt verkauft. Da finde ich dann die Überlegung spannend, dass es früher viele alte Wälder gegeben haben muss. Heute würden die Kinder wahrscheinlich leer ausgehen und die Familien hungrig bleiben, weil es gar nicht mehr so viel Zunderschwamm gibt. Damals hat man aus dem Wald herausrausgeholt, was man herausholen konnte.

Ich habe meine Doktorarbeit im vegetationsgeschichtlichen Bereich geschrieben und mich damit beschäftigt, wie Pflanzen und Pilze in der Vergangenheit genutzt wurden. Und wie man von historischen Beschreibungen Rückschlüsse auf alte Vegetationsbestände und Waldbilder ziehen kann. Da ist der Zunderschwamm auch eine wichtige Indikatorart.

Was verbindet Sie mit diesem Objekt?

Mich faszinieren Baumpilze wie der Zunderschwamm einfach sehr, weil sie so ganz anders sind als die Pilze, die man aus dem Wald sonst kennt. Der dauerhafte Fruchtkörper, der mit der Zeit auch wächst – das fasziniert mich. Die Fruchtkörper anderer Pilze sind schnell vergänglich und der bleibt einfach und wächst. Und man kann das Wachstum auch nachvollziehen. Ich finde, so ein Baumpilz ist auch etwas sehr Ästhetisches. Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass ich weiß, dass er ökologisch sehr wertvoll ist.

Was haben Sie mit dem Objekt gemeinsam?

Ich glaube, das ist so ein bisschen die Zähigkeit. Der Zunderschwamm besteht aus zähem Material. Und ich bin auf gewisse Weise schon auch hartnäckig. Ich bleib dann einfach auch dran – wie der Zunder an seinem Wirtsbaum.

Wenn Sie Ihr Lieblingsobjekt mit nach Hause nehmen dürften, wo und wie würden Sie es aufbewahren beziehungsweise präsentieren?

Eine Zeit lang hatte ich einen großen Fichtenporling zu Hause. Ich weiß gar nicht mehr, wo ich den gefunden hatte. Momentan habe ich gerade keinen Baumpilz zu Hause. Wenn ich einen hätte, würde ich ihn wahrscheinlich auf die Fensterbank in meinem Büro legen.

Welche Bedeutung hat das Objekt Ihrer Meinung nach für die Menschheit?

Eine der wichtigsten Errungenschaften der Menschheit war die Entdeckung des Feuers. Die Möglichkeit, Feuer zu entfachen, ist etwas sehr Wichtiges. Der Zunderschwamm ist ein Naturprodukt, das sich in unseren mitteleuropäischen Breiten sehr gut dafür eignet. Und so kam es auch, dass man in der Tasche von Ötzi den Zunderschwamm gefunden hat. Das hat den Menschen dann unterschieden von der Tierwelt. Bis zur Einführung der Schwefelhölzer hat der Zunder eine sehr wichtige Rolle gespielt. Mir fällt keine Pilzart ein, die für einen solch langen Zeitraum eine so große Bedeutung für die Menschheit hatte.

Biographie von Dr. Andre Baumann

Dr. Andre Baumann ist seit Mai 2021 Staatssekretär im Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft des Landes Baden-Württemberg. Dieses Amt hatte er bereits von 2016 bis Januar 2020 inne. Von Februar 2020 bis April 2021 war er Staatssekretär im Staatsministerium und Bevollmächtigter des Landes beim Bund. Er hat an der Uni Marburg Biologie mit Schwerpunkt Naturschutz und Ökologie studiert und an der Uni Regensburg promoviert. Von 2005 bis 2007 war er stellvertretender Leiter des Instituts für Agrarökologie und Biodiversität (IFAB) in Mannheim, von 2007 bis 2016 hauptamtlicher Landesvorsitzender des NABU Baden-Württemberg.

 

Stand: Januar 2022

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