Er wurde als ein Objekt gesehen, das zwischen Kunst und Natur steht, da er so perfekt gestaltet ist, als wäre ein Designer am Werk gewesen.
Über die Perfektion des Perlboots
Sie durften aus unseren Objekten ein Lieblingsobjekt auswählen – was hat für das Perlboot (Nautilus) gesprochen?
Dr. Wolfgang Ullrich:
Ich habe mich sofort für den Nautilus entschieden, da mir als Kulturwissenschaftler und Kunsthistoriker viele Bilder – etwa Stillleben aus dem 17. Jahrhundert – einfallen, auf denen er meist schon in bearbeiteter Form eingebaut in Pokale und in größere Schmuckstücke auftaucht. Auch hatte Nautilus einen sicheren Platz in den Kunst- und Wunderkammern des 16. und 17. Jahrhunderts. Er wurde als ein Objekt gesehen, das zwischen Kunst und Natur steht, da er so perfekt gestaltet ist, als wäre ein Designer am Werk gewesen. Insofern spielt er für die ganze Kunst- und Kulturgeschichte über eine lange Zeit eine ganz große Rolle. So etwas fasziniert mich.
Was fasziniert Sie an diesem Objekt?
Neben der schon erwähnten Rolle des Nautilus in der Kunst- und Kulturgeschichte finde ich spannend, dass er aus einer anderen Phase der Erdgeschichte kommt. Das hat etwas Erhabenes an sich. Eine Form, von der man weiß, dass sie über so lange Zeiträume eigentlich unverändert geblieben ist, sie sich also evolutionstheoretisch gesprochen bewährt hat, das ist schon irgendwie erhebend.
Was verbindet Sie mit diesem Objekt?
Zum Nautilus als Naturobjekt habe ich leider keine Verbindung. Es ist eine hundertprozentige kulturgeschichtliche Faszination.
Wenn Sie Ihr Lieblingsobjekt mit nach Hause nehmen dürften, wo und wie würden Sie es aufbewahren beziehungsweise präsentieren?
Zu Hause haben wir eine Art Etagere aus den 50er Jahren. Diese war ursprünglich dafür gedacht, Blumentöpfe daraufzustellen und die Blumen herunterwachsen zu lassen. Wir nutzen sie für allerlei kuriose Objekte, die wir meist von Reisen mitgebracht haben. Es wäre natürlich ein zu profaner Ort, um so einen wertvollen Nautilus darunter zu mischen. Aber wenn er in unseren Haushalt käme, wäre das ein schöner Anlass, um diese ganze Etagere etwas ernsthafter zu gestalten und sie dann vorsichtshalber vielleicht mit einem Glassturz zu überdecken und das dort dauerhaft zu sichern. Der Nautilus wäre dann in eine zeitgenössische, popkulturell definierte Form von Kunst- und Wunderkammer integriert.
Geboren 1967 in München. Ab 1986 Studium der Philosophie, Kunstgeschichte, Logik/Wissenschaftstheorie und Germanistik in München. Magister 1991 mit einer Arbeit über Richard Rorty; Dissertation 1994 über das Spätwerk Martin Heideggers. Danach freiberuflich tätig als Autor, Dozent und Berater. 1997 bis 2003 Assistent am Lehrstuhl für Kunstgeschichte der Akademie der Bildenden Künste München, danach Gastprofessuren an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg und an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe. Von 2006 bis 2015 Professor für Kunstwissenschaft und Medientheorie an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe. Seither freiberuflich tätig in Leipzig als Autor, Kulturwissenschaftler und Berater.
Stand: Mai 2020