Wie aus einer anderen Welt

Beschreibung

Feuerrote Tentakel, darauf ein dunkles Netz aus Schleim – und das Ganze pellt sich aus einem Ei. Der Tintenfischpilz (Clathrus archeri) sieht ein bisschen aus wie aus einer anderen Welt. Und das ist er in gewisser Weise auch.

 

 

„Von welchem Kontinent ist der denn? Nur damit ich sichergehe, dass ich niemals dorthin fahre…“, steht auf reddit.com unter einem Post mit Tintenfisch-Schnappschüssen. Tja, schlechte Neuigkeiten für alle, die dem Tentakel-Pilz lieber großzügig aus dem Weg gehen möchten: Inzwischen gibt es keinen Kontinent mehr, auf dem Clathrus archeri nicht zu finden ist – die Antarktis mal ausgenommen. Ursprünglich aus Australien und Neuseeland stammend, hat es der Tentakel-Pilz längst auch in unsere Breitengrade geschafft. Wie und wann es ihn von „Down under“ nach Europa verschlagen hat, darüber lässt sich allerdings nur spekulieren: möglich, dass seine Sporen Anfang des 20. Jahrhunderts unabsichtlich mit Schafswolle oder anderen Gütern hierher verschleppt worden sind. In Deutschland wurde der Tintenfischpilz das erste Mal im Jahr 1934 bei Karlsruhe gesichtet. Clathrus archeri weilt also seit über 80 Jahren unter uns und ist dennoch eine eingewanderte Pilzart, ein sogenannter Neomycet, der nach der Entdeckung Amerikas, also nach 1492 mit Hilfe des Menschen eingewandert ist.

Auch wenn seine Heimat weit entfernt ist, fühlt sich der Tintenfischpilz hierzulande pudelwohl. Denn er hat wenig Konkurrenz und ist ein relativ genügsamer Pilz, der auf mehr oder weniger sauren Böden wächst – also zum Beispiel am Wegesrand, dort wo heimische Pilzarten kaum zu finden sind. Genauso wichtig für den Tintenfischpilz: Heimische Insekten fühlen sich durch den Aasgeruch angezogen und verbreiten so die Sporen. Weil es der Tintenfischpilz warm mag, begünstigt der Klimawandel obendrein seine Verbreitung. Bisher gilt der Neuankömmling, der ein Verwandter der Stinkmorchel ist, als nicht-invasive Art: Noch konnte man keine unerwünschten Auswirkungen des Einwanderers beobachten, wie beispielsweise die Verdrängung heimischer Arten.

Quellen

Arora, D., & Burk, W. R. (1982). Clathrus archeri, a stinkhorn new to North America. Mycologia74(3), 501-504.

Gross, G., Runge, A., Winterhoff, W., & Krieglsteiner, G. J. (1980). Bauchpilze (Gasteromycetes sl) in der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin. Deutsche Gesellschaft für Mykologie.

Pietras, M., Rudawska, M., Iszkuło, G., Kujawa, A., & Leski, T. (2016). Distribution and molecular characterization of an alien fungus, Clathrus archeri, in Poland. Polish Journal of Environmental Studies25(3), 1197-1204.

Stricker, P. (1954). Die Ausbreitung des Tintenfischpilzes Anthurus aseroeformis McAlpine (Anthurus Muellerianus Kalchbr.). Beiträge zur naturkundlichen Forschung in Südwestdeutschland, 13, 93-98.