Experimente im Blumentopf

Beschreibung

Ein schmales Beet vollgestellt mit zig Blumentöpfen. Über die meisten ist eine Glashaube gestülpt. In den Töpfen sind keine Pflanzen, sondern stinkende Tintenfischpilze (Clathrus archeri).

 

Blumentopf-Experiment von Paul Stricker

 

Es ist das Jahr 1940. Noch weiß man in Deutschland wenig über die neu eingewanderte Pilzart Clathrus archeri. Mit seinem Blumentopf-Experiment will der 62-jährige Paul Stricker das ändern.

Stricker ist jemand, den man heute als Citizien Scientist bezeichnen würde: ein Bürgerwissenschaftler. Der Karlsruher Volksschullehrer ist ein echter Pilzexperte – auch wenn er kein studierter Biologe ist. Mit Begeisterung engagiert sich Stricker im Naturwissenschaftlichen Verein, kartiert Pilzbestände, hilft bei Pilzausstellungen, hält Vorträge, gibt Führungen und berät Karlsruher Bürgerinnen und Bürger in Sachen Speisepilze – auf dem Wochenmarkt und wenn es dringend ist, auch in seiner Wohnung.

Als ein Schwarzwälder Ingenieur 1938 im Murgtal bei Lautenbach einen Pilz entdeckt, den keiner kennt, bittet man Stricker um Rat. Es ist das erste Mal, dass dem Pilzkundler Clathrus archeri unterkommt – wenn auch nur in Form einer Skizze. Was für ein Pilz das sei? Da ist auch Stricker überfragt. Als er im Juli 1940 mit einer Gruppe im Durlacher Wald unterwegs ist, stößt er wieder auf den rätselhaften Pilz – diesmal in Form eines Hexeneis. Weil Stricker das Hexenei Marke Tintenfischpilz jedoch mit einer anderen Art verwechselt, deren Aufbau er erklären will, schneidet er das Ei der Länge nach auf und bemerkt seinen Irrtum erst, als er das Innere des Pilzes sieht. Ärgerlich, denn ein weiteres Exemplar des Tintenfischpilzes lässt sich nicht auftreiben.

 

Tintenfischpilze (Clathrus archeri) in Blumentöpfen

 

Das ändert sich, als Stricker vier Wochen später von einem Bekannten in den Weiherwald geführt wird. Dorthin, wo sich massenweise ausgewachsene Tintenfischpilze, aber auch Hexeneier finden. Um Clathrus archeri genau zu studieren, nimmt Stricker reichlich Pilzmaterial mit nach Hause, wo er die Hexeneier in Blumentöpfe pflanzt und studiert wie lange es dauert, bis sich aus den reifen Pilzeiern die feuerroten Tentakel erheben. Etwa 70 der bestialisch nach Verwesung stinkenden Tintenfischpilze beobachtet Stricker so beim „Schlüpfen“. Seine Entdeckungen rund um die neu eingewanderte Pilzart, die Stricker auch gern mal flapsig „Stinker“ nennt, veröffentlicht er später in wissenschaftlichen Aufsätzen.

Ein Tintenfischpilz nebst Glashaube im Blumentopf. Strickers Versuchsaufbau kann man auch heute noch begegnen. Zum Beispiel in manchen Jahren Mitte Oktober bei der Karlsruher Frischpilzausstellung, die im Naturkundemuseum stattfindet. Natürlich muss der „Stinker“ draußen bleiben und darf dort bewundert werden.

Quellen

Stricker, P. (1942). Anthurus aseroeformis (MC. ALPINE). Ein für Deutschland neuer australischer Pilz im Oberrheingebiet. Beiträge zur naturkundlichen Forschung im Oberrheingebiet7, 287-300.

Stricker P. (1949). Ein für Deutschland neuer Fund, Anthurus muellerianus (Kalbr.)?. Zeitschrift für Pilzkunde, 24(1-2), 67-73.

Stricker, P. (1954). Die Ausbreitung des Tintenfischpilzes Anthurus aseroeformis McAlpine (Anthurus Muellerianus Kalchbr.). Beiträge zur naturkundlichen Forschung in Südwestdeutschland13, 93-98.

Scholler, M. (2008). Die Arbeitsgruppe Pilze im Naturwissenschaftlichen Verein Karlsruhe e. V. (PiNK) – ein Rückblick auf die Aktivitäten der ersten Jahre. Carolinea, 66, 163-170.

Weyh, R., & Wittenberger, G. (2013). Seit 60 Jahren ist der Tintenfischpilz in der Region Offenbach heimisch. 113. Bericht des Offenbacher Vereins für Naturkunde, 113, 3-14.

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