Spiderman kann Spinnenfäden aus seinen Handgelenken schießen, mühelos an Wänden und Decken herumkrabbeln und kopfüber knutschen. Was er nicht kann: fliegen. Komisch, denn genau diese „Superkraft“ besitzen Spinnen – zumindest die jungen und leichten. Sie lassen sich an hauchdünnen Fäden durch die Luft treiben. „Ballooning“ oder „Luftschiffen“ – so wird der Spinnenflug auch genannt.
Wir Menschen bekommen vom Spinnenflug normalerweise kaum etwas mit – außer während der letzten Schönwetterphase im Herbst, dem Altweibersommer. Dann glitzern die herumfliegenden Fäden, an denen sich die Spinnen verfrachten lassen, in der Sonne. Ganz so wie silbergraues Haar.
Wenn es Jungspinnen – dort wo sie geschlüpft sind – mit ihren Geschwistern zu eng wird, gehen sie wortwörtlich in die Luft und lassen sich woandershin treiben. Um in die Luft aufzusteigen, krabbeln sie auf eine möglichst hoch gelegene Stelle, auf einen Ast zum Beispiel. Dort strecken sie ihre Beine und trippeln wie auf Zehenspitzen, richten den Hinterleib gen Himmel und lassen in einem günstigen Moment ein Bündel meterlanger, hauchdünner Seidenfäden austreten. Eine Luftbewegung – es muss kein Wind sein, warme aufsteigende Luft genügt – nimmt die Spinnen an den hauchdünnen Fäden mit, die sich wie eine Art Fächer ausbreiten. An diesem Gebilde, dem sogenannten Fadenfloß, driften die Spinnen durch die Luft. Ein waghalsiges Unterfangen, denn wie weit sie fliegen und wo sie genau landen, können die Spinnen nicht recht steuern: Sie können ein paar Meter fliegend zurücklegen oder viele Kilometer. Kommen sie dabei in hohe, kalte Luftschichten, laufen sie Gefahr zu erfrieren. Das Risiko muss sich also lohnen. Während bei größeren Spinnen nur Jungspinnen fliegen, sind es bei anderen, kleinen Arten – wie den Zwergspinnen – auch die erwachsenen Tiere. Fliegen oder nicht, die Entscheidung fällt frisch geschlüpften Jungspinnen vermutlich leicht, denn bei den räuberischen Tieren geht es um Leib und Leben – die Geschwister fallen nämlich übereinander her, wenn es sonst nichts zu fressen gibt.
Abheben können die Spinnen übrigens auch bei Windstille. Dafür nutzen sie elektrostatische Kräfte aus, wie die, die uns manchmal auch die Haare zu Berge stehen lassen.
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