Queen statt King

Beschreibung

„I like to move it, move it“ schmettert er 2005 auf der Kinoleinwand und macht die Kattas (Lemur catta) weltberühmt: King Julien, der – etwas durchgeknallte – Anführer der Lemuren im Animationsfilm „Madagascar“.

 

 

Schwarz-weiß-gestreifter Schwanz und gelb leuchtende Augen – Julien ist ein Katta. So weit, so richtig. Mit Juliens Geschlecht haben es die Filme­macher allerdings nicht so genau genommen, denn bei den echten Kattas gibt es keinen König. In freier Wildbahn regiert Queen statt King, Königin und nicht König. Überhaupt haben bei den Kattas, wie bei den meisten Lemurenarten, die Weibchen das Sagen. Sie stehen in der Rangordnung über den Männchen.

Mütter, Töchter, Schwestern, Tanten, Nichten: Kattas leben im Rudel, wobei eng verwandte Weibchen den Kern des Klans bilden. Sie bleiben ein Leben lang in dem Rudel, in dem sie geboren worden sind, während Katta-Männchen von einem zum nächsten ziehen müssen.

„Ladies first“ heißt es bei den Kattas wie bei allem anderen auch beim Fressen. Hat die Katta-Chefin ihr Rudel zu einer neuen Futterstelle geführt, schlagen sich zuerst die Weibchen den Bauch voll und die Männchen bekommen lediglich die Reste. Drängelt sich ein hungriges Katta-Männchen ungeduldig vor, kassiert es Prügel und Bisse von den Weibchen. Alpha-Weibchen sind im Austeilen eben wenig zimperlich.

Als die Wissenschaftlerin Alison Jolly Mitte der 1960er Jahre entdeckt, dass bei den Kattas die Weibchen das Sagen haben, will man ihr nicht glauben. Weibchen als das starke Geschlecht? Undenkbar. Nie zuvor war bei Primaten so etwas beobachtet worden. Männliche Überlegenheit hatte man bis dahin als eine Art Naturgesetz ausgelegt. Allen Widerständen zum Trotz kann Alison Jolly mit ihrer Entdeckung diese Lehrmeinung schließlich widerlegen – Kattas sei Dank. Als fast vierzig Jahre später DreamWorks mit dem Film „Madagascar“ King Julien auf der Kinoleinwand bringen, ärgert sich Jolly zurecht. Schließlich hätte der Anführer der Lemuren kein König, sondern eine Königin sein müssen.

Quellen

Jolly, A. (1966). Lemur social behavior and primate intelligence. Science153(3735), 501-506.

Jolly, A. (1998). Pair-bonding, female aggression and the evolution of lemur societies. Folia Primatologica69(Suppl. 1), 1-13.

Mayeri, R. (2019). “The Jollies”: A Biographical Artwork about Primatologist Alison Jolly. a/b: Auto/Biography Studies34(3), 461-465.

Sussman, R. W. (1992). Male life history and intergroup mobility among ringtailed lemurs (Lemur catta). International Journal of Primatology13(4), 395-413.